Maria wachte besorgt auf. Ein großer Fisch schwamm um ihr Bett herum. Das ganze Zimmer war mit Wasser gefüllt, die Möbel schwankten leicht hin und her und ließen kleine Luftblasen von sich, ganz so, als stünden sie in einem großen Aquarium. Vom Fenster, das nun die gesamte Wand einnahm, kam blaues Licht, mal hell, mal trüb. Draußen jenseits der Wand aus Glas wuchsen Algen und in der Ferne sah man Schwärme von Fischen. In anderen Umständen wäre dieser Traum beruhigend gewesen. Der Wasserdruck in den Ohren jedoch, und die Tatsache, dass sie nicht in der Lage war zu sprechen, machte ihn zu einem klassischen Alptraum. Sie wollte sich bewegen, den Kopf drehen und den Fisch beobachten, die Algen, die Luftblasen. Doch sie war eingefroren in ihrer Position und konnte nur durch ihre Augen alles um sich herum wahrnehmen. Jedesmal wenn sie zu schreien versuchte, hielt sie ein furchtbarer Krampf zurück, der die Bewegungen jeglicher Muskeln unmöglich machte. Ein Gewicht drückte auf ihre Brust und nahm ihr die Luft weg. Sie konnte den Fisch nicht gut sehen, da ihr Hals auf dem Kissen erstarrt war, doch der große Kopf warf seinen Schatten, wenn er am Fenster vorbeischwamm, und der Schwanz schickte wie drohend kalte Wasserströme in ihre Ohren und in ihrer Nase.
Maria wachte besorgt auf. Sie stand sofort auf und ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Aus ihrer Erfahrung mit Alpträumen wusste sie, dass sie keineswegs im Bett bleiben durfte, damit der erste Alptraum nicht in einen zweiten überging, wenn nicht sogar in einem dritten. Während sie trank, öffnete sie den Vorhang und versuchte nach draußen in die Dunkelheit zu schauen. Die wenigen gelben Lichter die man erkennen konnte, waren im Nebel verwaschen und machten die schwere Luft noch drückender. Die unklare Sicht, der dichte Nebel und die kaum wahrnehmbaren Lichter ließen das Gefühl wieder entstehen, unter Wasser zu sein, und sie wunderte sich nicht, als in diesem Moment ein großer Fisch erschien, der seine roten Flossen und den Schwanz über den schwarzen Asphalt und zwischen den Straßenlampen schlug. Sie trank noch ein wenig Wasser und erinnerte sich an Traumdeutungen: der Fisch als Unglücksbringer, oder als günstige Gelegenheit, die einem entkommt.
Marika erwachte mit einem Lächeln. Sie stand unten am Gebäude bei einer großen roten Wanne, die kleine Fische aufsammelte, welche vom Himmel fielen. Das Klopfen am Fenster hatte sie geweckt und sie hatte gedacht, dass es Hagel sei. Dann war sie schnell die Treppe heruntergelaufen, als ihr einfiel, wie sehr die Preise für Fische gestiegen waren und dass es ein glücklicher Zufall war, dass nun Fische vom Himmel fielen. Auf dem Weg nach unten hatte sie bemerkt, dass sie gar kein Behältnis zum Aufsammeln dabei hatte, daher hatte sie sich für die Wanne entschieden. Unten angekommen stellte sie enttäuscht fest, dass sie spät dran war: alle Frauen aus der Nachbarschaft hatten Wannen herausgebracht, mit denen sie Fische fingen, allesamt rote Wannen und größer als ihre. Sie stellte ihr Behältnis hin vor dem Eingangdes Gebäudes und schaute zu, wie es sich auffüllte. Sie schaute sich die anderen Wannen an um herauszufinden, ob sie größere Fische gefangen hatten, aber es waren alles kleine Fische. Immerhin. Nachdem alle Frauen günstige Plätze für ihre Wannen gefunden hatten und mit den Händen in die Taille abwarteten, schauten sie sich an und tauschten Blicke aus, dann fingen sie an zu lachen und wurden dabei immer lauter, bis das schallende Gelächter zwischen den Gebäuden widerhallte und Marika aufweckte.
Marika erwachte mit einem Lächeln. Sie bereitete Kaffee zu, machte sich im Bad schnell fertig, richtete ihre Haare und schnappte sich den Kaffee als letztes, bevor er überkochte, rührte Zucker hinein, ließ ihn ein wenig abkühlen, während sie ihr Bett machte, dann packte sie ihre Arbeitsuniform und eine Banane in die Tasche, trank den Kaffee und ließ ihre Zimmertür offen, damit ihre Nachbarin wußte, dass sie bereits wach war und nicht bei ihr anklopfen musste. Sie zog die Schuhe an, nahm ihre Tasche und genau an dem Augenblick als sie heraustrat, war die Nachbarin dabei nach ihr zu rufen durch die offene Tür. Sie gingen gemeinsam die Treppe herunter und Marika erzählte enthusiastisch von ihrem Traum mit den roten Fischen. „Schön wär’s.“ kommentierte die Freundin, und dann „Fische sind Glücksbringer, mach dich auf gute Dinge in der Zukunft gefasst, Marika!“. Sie kicherten und lachten im Treppenhaus, doch wir hören nicht was sie noch sagen, denn wir sind noch in den oberen Stockwerken, während die beiden das Gebäude verlassen und zur Arbeit gehen.
Marina erwachte aufgeregt. Sie war die ganze Nacht gerannt durch ein Feld in dem Fische eingepflanzt waren. Sie standen versteinert wie Bäume, sie stürzte sich ihnen entgegen und fühlte sich immer glücklicher. Nach einer Weile wurde sie müde, blieb stehen und berührte die festen Schuppen, streichelte sie und schaute ob sie den Mund öffneten. Dann schaute sie nach oben, streichelte sie weiter und schaute wie sie ihre Münder öffneten. Der Traum endete nicht, ging über in weiße Bettlaken, und sie schien die halbe Nacht in der Umarmung von großen Fischen zu schlafen.
Marina erwachte aufgeregt. Der Arzt sagte ihr, dass große Fische, genauso wie Pferde und Baumstämme, den Penis darstellten, die sexuelle männliche Energie. Sie zitterte leicht, als sie das hörte, während sie die Lippen des Arztes durch den Bart beobachtete. Sie fühlte sich durchsichtig, nicht beschämt sondern durchsichtig. Nun dachte sie an die Worte des Arztes, nachdem sie zum zweiten Mal in Folge den selben Traum hatte, und erwog dass er Recht haben könnte. Sie erinnerte sich an den Lauf durch das Feld mit den Fischen, das Streicheln der Schuppen, und die offenen Münder, und er schien recht zu haben. Oder er hatte solche Gedanken erst in ihrem Gehirn pflanzen wollen. Seine Gedanken erschienen ihr oft von schmutziger Art. Ja, er hatte ihr damit eine Falle stellen wollen. Fast hatte er behauptet, dass er selbst, einen Penis darstellte.
Mariam wachte verwirrt auf. Ein großer Hai, mit einer spitzen Schnauze, hing in der Luft und schlug auf eine hohe Wand in einer staubigen Wüste. Die Luft war heiß und still. Der Fisch holte einige Sekunden aus mit dem Schwanz und warf sich dann gegen die Wand, ließ dabei einen dumpfen Schrei ertönen. Mariam befand sich mitten in dieser drückenden Stille, um sie herum nichts, außer dem Hai. Dennoch war die Luft nicht leer wie der Boden, sie war voller menschlicher Moleküle, als wäre der Streifen entlang der Wand schon lebenslang bewohnt gewesen und nur jetzt verlassen worden. Sie fühlte sich einsam. Der verärgerte Hai schlug weiter auf die Wand. Seine Anwesenheit hatte ihr anfangs Angst gemacht, die unendliche Weite und die Luftmoleküle und schläfrig machende Hitze beruhigten Mariam, machten sie melancholisch und sie näherte sich dem abscheulichen Gesicht des Hais. Sie streckte die Hand aus und berührte das Gesicht des Fisches der angestrengt röchelte. Er drehte sich zu ihr und verwandelte sich plötzlich in einem sanften Seefisch, mit matt schimmernden Schuppen und großen, blutenden Augen, die sie liebevoll anschauten. Sie wollte ihn umarmen und küssen und warf sich ihm mit offenen Armen entgegen.
Mariam wachte verwirrt auf. Sie blieb einige Minuten lang mit den Augen an die Zimmerdecke gerichtet und versuchte sich zu orientieren. Sie war alleine auf dem Bett. Sie blickte auf die Uhr. Es war nicht sehr spät. Sie rief ihren Mann an. Er war bei der Arbeit, im Hintergrund am Telefon hörte man eine Menschenmenge. Die besorgte Stimme seiner Frau brachte ihn dazu, eine ruhige Ecke zu suchen und sie zu fragen, was passiert war. Sie erzählte ihm von dem Traum. Sie weinte, während sie alles beschrieb. Danach schwiegen sie sich eine Weile an. Sie weinte noch ein wenig, er schwieg noch ein wenig. Er antwortete schließlich, der Traum könnte nicht richtig sein, es könnte nicht ihr Traum sein, denn in ihrem Land hatte kein Meer.