Mechanische Anomalie

Riesige Windmühlen am Horizont. Hitze. Ihre weißen Flügel reflektieren Stücke der Sonne durch die Gegend, stören die Augen und die Spiegel. Mein Auto fährt lautlos. Ich öffne das Fenster, um zu rauchen. Musste mir freinehmen, um zum Dorf zu fahren. Ein Verwandter ist gestorben.

Ein angenehmer Freitag. Selbst in der alten Maschinenfabrik ist es heute schön. Das Wochenende ist vielversprechend, weg von jeglicher Industrie. Eisenvorräte und Naturressourcen sind begrenzt. Fortgeschrittene Technologie, die nach Rohstoffen sucht, mehrere Kilometer unter der Erde. Drecksarbeit. Ich habe die Blicke auf mich gespürt, sie wollten mir etwas sagen. Wollen mich loswerden. Motivationsmangel.

Vorsicht mit der Axt, Eugen! Stahlaxt. Eisenwerkzeuge am Wegesrand. Autofriedhof? Auf der anderen Seite nichts, ein einsamer Felsen. Ob es hier Rohstoffe gibt? Wasser, Eisen? Wir brauchen beides.

Zumindest die Sitze sind bequem, nicht aus Eisen. Nur die Federn darin sind aus Eisen. Federn vergraben in Dunkelheit und Staub. Friedlich hier. Nur ein Esel schreit dumpf. Esel? Es gibt keine Esel hier. Nichts lebendiges, um genau zu sein. Außer Insekten und Würmern unter der Erde, sicherlich. Scharren und Bisse von unsichtbaren Tieren, ohne Ende. Wo kann der Esel sein? Ich werfe den Zigarettenstummel aus dem Fenster, schließe das Fenster. Das Klagen ist immer noch zu hören, vielleicht sogar lauter.

Ich halte am asphaltierten Straßenrand an. Gitarre und Verstärker, Schlagzeug. Und Tiergeschrei. Muss herausfinden woher es kommt. Ich steige aus um das Feld besser zu beobachten, über die kleinen Büsche. Ob sich dahinter ein Esel versteckt? Würden sie nicht eher herumstehen als sitzen? Der Schrei wird schwächer, als ich mich vom Auto entferne, Worte kann ich nicht ausmachen. Dann ist es in der Nähe des Autos, oder im Auto. Ich gehe zurück. Im Kofferraum? Leer. Innen. Leer, habe keinen Esel im Wagen. Motorhaube? Gefunden. Seltsam. Ein Eselskopf zwischen den Maschinenteilen im Kabelgewirr. Verdammt, das habe ich gerade noch gebraucht! Ein wiehernder Eselkopf, wo kommt der her? Aus dem abgeschnittenen Hals mit geronnenem Blut treten Venen und Kabel hervor, schlingen sich um Batterie und Motor. Als ob es meinen Wagen mit Energie versorgt, das elende Tier.

Sobald ich im Dorf ankomme, finde ich einen Mechaniker und lasse das Langohr von der Motorhaube entfernen. Doch wie soll ich das Geschrei den ganzen Weg lang aushalten? Er schaut mich an und brüllt. Ich versteh nicht was er mir sagen will.  Ich gehe davon aus, dass er nur schreit, ein Tier das nicht sprechen kann, Laute die nicht zu deuten sind. Ob dieser Kopf hier stecken geblieben ist nach einem Unfall, oder ob der Motor schon so gebaut wurde, vermag ich nicht zu sagen. Es ist ein Dienstwagen, daher habe ich nicht daran gedacht, unter der Motorhaube nachzuschauen. Ich muss den Weg fortsetzen, das ist wichtiger. Bei der Beerdigung zugegen sein und dann zurück. Montag weiterarbeiten. Nur die Schreie möchte ich unterwegs nicht hören. Ich öffne das Handschuhfach, suche einen Fensterputzlappen. Knülle ihn zusammen und stecke es dem Esel in den Hals. Er ist still. Ich stoße die eiskalte Schnauze an, um herauszufinden ob er doch einen Laut von sich gibt. Er röchelt dumpf, leidend, man hört ihn kaum. Sobald ich die Motorhaube schließe und die Musik laut aufdrehe, werde ich ihn gar nicht mehr hören. Ich steige wieder ins Auto ein und fahre weiter. Auf den Feldern sind jetzt Menschen zu sehen, sie kommen näher. Es sind viele, einige tragen einen Sarg. Amerikanische Ureinwohner. Federn, Blätter, bemalte Haut. Sie stimmen ein seltsames Lied an. Rauchen lange Pfeifen, die Rauchschwaden scheinen den Sarg durch die Lüfte zu tragen. Was ist im Sarg? Ein Amerikanischer Ureinwohner, der Häuptling, ein unglückliches Kind? Oder ein Tier? Der Esel vielleicht? Nur der Rest von ihm, sicherlich.

Ich sollte ihnen sagen, dass der Kopf in meinem Auto liegt, wenn sie es zurückhaben wollen. Aber dann fährt das Auto vielleicht nicht mehr. Es ist immerhin der Dienstwagen. Am Ende ist es nicht wichtig, was im Sarg liegt. Was es auch immer ist, es ist tot, für immer weg, zwischen Würmern und Eisen unter der Erde.

Warum sind überhaupt Amerikanische Ureinwohner hier? Habe sie nie zuvor gesehen. Seit meiner Kindheit bin ich nicht hier gewesen, um genau zu sein, auf diesem Weg ins Dorf, auf diesem Feld mit Büschen und Windmühlen die Sonnenstrahlen reflektieren und die Augen blenden. Ich wußte nicht mehr, dass hier ein Eselskopf schreit, dass Amerikanische Ureinwohner hier Totenrituale halten, sei es für Häuptlinge, Kinder oder kopflose Tiere, die sie begraben. Ich fahre weiter. Ich bin spät dran. Die Beerdigung besuchen und dann heimfahren. Montag muss ich wieder zur Arbeit.

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